Jonathan und der Nebeldrache

Prolog

 

»Papa, der Basti hat mir nach der Schule immer wieder auf den Oberarm geboxt und mich ›Weichei‹ genannt, weil ich geweint hab. Alle drum rum haben gelacht.«

Wie ein Häufchen Elend stand der Erstklässler Jakob Müller vor seinem Vater im ebenerdigen Büro.

Seufzend drehte sich Jonathan am Schreibtisch um. Auf dem Bildschirm rotierte die 3D Grafik eines komplizierten, mechanischen Bauteils. »So ein gemeiner Kerl. Solche Typen kenn ich. Hacken immer auf den Kleineren und Schwächeren rum. Wenn er nicht aufhört, gehen wir zur Schulleitung, ja?«

Zögerlich nickte Jakob und stieg die Treppe zur Privatwohnung im ersten Stock hinauf.

Mit abwesendem Blick starrte Jonathan aus dem Fenster. Die bunten Rosenbüsche und den hübsch angelegten Garten seines Einfamilienhauses in Grünwald nahm er kaum wahr. Warum muss sich so eine Geschichte immer wiederholen? Ich erinnere mich noch wie gestern an die Hauptschulklasse. Jetzt heißt sie ja Mittelschule. Anderer Name, selber Inhalt, gleiche Deppen. Mein Feind war der blöde Marc. Nichts im Kopf und nur auf Krawall aus. Jedes Mal im Vorbeigehen hat er mir einen Rempler gegeben.

Er unterbrach die Gedanken, ging in die Tee-Ecke und zapfte einen Espresso aus der Kaffeemaschine. Eigentlich wollte er sofort weiterarbeiten, aber die Erinnerungen an die Vergangenheit drängten an die Oberfläche.

Ganz schön viel Zeit, die Isar hinuntergeflossen. Damals, in der 5. Klasse, war ich elf Jahre alt. Mit fünfzehn hab ich die Schule mit einem Quali-Abschluss beendet. Dann zum Leidwesen meiner Mama eine dreieinhalb jährige Lehre als KFZ-Mechatroniker durchgezogen. Immerhin, ich war zweitbester in der Berufsschule.

Lächelnd nahm Jonathan einen kleinen Schluck aus der Tasse. Muttern hätte mich zu gern gleich nach der Grundschule zum Abitur gedrängt. Na ja, ihr Ziel hat sie auf Umwegen noch erreicht. Die Aufstiegschancen als Automechaniker fand ich ziemlich ›bescheiden‹. Das Technikabitur auf der BOS dagegen höchst spannend. Trotzt riesigem Lernpensum, haben wir alle an einem Strang gezogen. Eine ganz neue, nachhaltige Erfahrung in meinem Schülerleben. Dann den Bachelor und Master in Fahrzeugtechnik drangehängt. Jetzt hab ich einen Superjob bei einer Münchener Autofirma in der Rennsportabteilung und kann viel von zuhause aus erledigen.

Langsam wandte sich Jonathan wieder seinem Bildschirm zu. Wenn ich eins gelernt hab: Vergiss neben der Zielstrebigkeit niemals den Glauben an die eigene Kreativität und Fantasie, so irrwitzig und völlig unmöglich manche Erlebnisse auch erscheinen mögen. Für mich war das ja ein wichtiger Schlüssel zum jetzigen Erfolg.

Ein Gedanke blitzte durch den Kopf. Vielleicht sollt ich daraus eine Geschichte schreiben …

 Wie alles begann

Im Sturzflug schoss Jonathan auf einem orangeroten Feuerdrachen dem glitzernden Meer entgegen. Der Vollmond spiegelte sich auf der Wasseroberfläche, die beinahe regungslos dalag. Neben ihm flogen die Helden der Serie: ›Die Reiter von Berk‹. Gemeinsam waren sie auf der Jagd nach der bösartigen Seeschlange, welche die berkschen Wikingerboote in die Tiefe zog.

Jonathan deutete in die Ferne: »Schaut, da kräuselt sich das Wasser. Das ist verdächtig.«

Die Gruppe beschleunigte das Tempo. Im fahlen Licht tauchte ein dunkler Schatten auf …

»Was ist 2.289 dividiert durch 3? – Herr Müller!« Lehrer Schmidts laute Stimme peitschte durch das Klassenzimmer.

»Was …?«, murmelte Jonathan erschreckt, als ihm Toni, der Banknachbar, mit dem Ellenbogen unsanft in die Seite stieß.

Herausgerissen aus dem abenteuerlichen Tagtraum spürte er, wie ihm vor Schreck das Blut in den Kopf schoss.

Verlegen stammelte er: »Äh, wie war die Frage?«

»2.289 durch 3«, flüsterte der Nebenmann leise. Nur ging die Hilfestellung im Gelächter der Klasse 5a der Staatlichen Hauptschule an der Eduard-Spranger-Straße in München unter.

Schmidts wiederholte die Zahlenfolge.

Krampfhaft versuchte Jonathan, das Ergebnis auszurechnen: 3 mal 7 ist 21 und zwei Nullen dazu gibt 700. Der Rest …

Währenddessen drehte sich sein Erzfeind Marc Mittermaier zwei Reihen schräg vor ihm um und grinste hämisch. Er amüsierte sich köstlich über Jonas Verlegenheit.

Der Lehrer tappte ungeduldig mit dem Fuß.

Auf gut Glück antwortete Jona: »736.«

»Falsch – 763!« Die Worte des Lehrers droschen wie Peitschenhiebe auf ihn ein. Jonathan duckte sich unwillkürlich. »Das Ergebnis ist nur geraten, nicht gerechnet. Eine glatte 6 heute. Deine mangelnde Mitarbeit fällt mir schon seit einiger Zeit auf. Ich werde noch diese Woche mit deinen Eltern sprechen.«

Jonathan wurde es abwechselnd heiß und kalt. Er wusste, wenn Mutter das erfuhr, setzte es garantiert wieder Hausarrest. Dann musste er noch mehr büffeln als eh schon. »Bitte sagen Sie nix, ich pass auch bestimmt besser auf«, bettelte er.

Der Lehrer sah ihn nur prüfend an, ohne eine Antwort zu geben.

Häuslicher Ärger

Endlich kündigte die Glocke das Ende des Unterrichts an. Die Schüler ergriffen hastig ihre Taschen und Jacken. Als würden Schleusen geöffnet, strömten die Kinder aus den Klassenzimmern in die Gänge und schwappten aus dem Eingangsbereich ins Freie. Draußen verteilte sich die bunte Menschenflut in alle Richtungen.

Das ebenerdige Schulgebäude lag inmitten einer Grünfläche, eingerahmt von einer Reihe Ahornbäume. Das Grün milderte zwar die scheußliche, graue Betonfarbe der Gebäudemauern, dennoch machte es die Lehranstalt nicht wirklich attraktiver.

Jonathan hatte sich teilnahmslos in der Menge mittreiben lassen und stand nun etwas verloren am Vorplatz. Manch abfällige Blicke der Klassenkameraden trafen ihn wie Nadelstiche. Jonas Miene wurde zunehmend finsterer. Ungeduldig von einem Fuß auf den anderen tretend, wartete er auf seinen besten Freund Benjamin Zimmermann. Der wurde Benni, Ben, manchmal auch Mister-B gerufen. Jona bedauerte sehr, dass der Kumpel die Parallelklasse besuchte. Mit ihm zusammen wäre das Schulleben leichter zu ertragen gewesen.

Zu allem Überfluss kam Marc an ihm vorbei stolziert, rempelte ihn mit der Schulter, zeigte den Stinkefinger und feixte: »Loser!« Der Vasall, der ihn immer begleitete, lachte pflichtschuldigst.

»Arschgeige«, meinte Benjamin, der gerade dazu kam. »Hat nur Kacke in der Birne und keinen Mumm in der Hose. Drum muss er die Calvin Klein Boxershorts rausstehen lassen. Kann er sich auch nur leisten, weil die Mutter im Kaufhaus arbeitet.«

Natürlich hätte Jona zu gern ebenfalls neue, coole Markenklamotten getragen, nicht nur gebrauchte Sachen aus Internet Schnäppchen. Bennis Bemerkung minderte zumindest den Frust und machte sogar einem schmalen Lächeln Platz. »Ich weiß nicht, was der gegen mich hat. Ich hab ihm nie was getan.«

»Solche Typen hacken immer auf Schwächeren rum. Sind viel zu feige, es bei Gleichstarken zu probieren«, tröstete Ben den Freund.

»Vielleicht -«

Ben unterbrach ihn: »Vergiss es, Jon! Kommst du am Nachmittag mit zum Fußballspielen?«

Jonathan zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, ob ich kann. Heute hat mich der Schmidts schon wieder am Wickel gehabt. Er drohte, daheim Meldung zu machen. Kennst ja meine Mutter, wenn er wirklich anruft!«

Ben stimmte zu. Er wusste, Klara Müller setzte die schulischen Leistungen des Sprösslings an allererste Stelle. »Komm, lass uns gehen, ich hab Hunger.« Benjamin zog den Freund am Ärmel.

Ihr Zuhause lag im Norden von München im sogenannten Hasenbergl. Für den Schulweg benötigten sie etwa eine viertel Stunde.

»Zu Fuß oder mit dem Bus?« Jonathan sah den Nebenmann fragend an.

»Ist ungefähr gleich lang. Der Bus steckt ja fast jeden Tag im Stau. Ich mag lieber latschen, heut ist schönes Wetter«, bestimmte Benni.

An der Pulverturmstraße trennten sich die Wege. Benjamin wohnte hier um die Ecke, in einem modernen Zweifamilienhaus mit blühenden Büschen neben dem Eingang. Jonathan winkte zum Abschied und ging ein paar Straßen zur Schleißheimerstraße hinunter. An dieser Hauptverkehrsader stauten sich die Autos zu jeder Tages- und Nachtzeit. Dadurch stank es eklig nach Abgasen. Nur noch eine Ampel überqueren, dann erreichte er sein Zuhause. Er lebte in einem Häuserblock, dessen Fassade direkt an die Hauptstraße heranreichte. Ein grauer Wohnblock, mit vier Stockwerken und zwei Wohnungen pro Etage, ragte vor ihm auf. Die ursprüngliche Farbe war unter der Feinstaubschicht kaum mehr zu erkennen. Die bunten Graffiti an der Mauer sorgten wenigstens für etwas Abwechslung.

Die Zugänge lagen an der Rückseite des Gebäudes. Jonathan ging die Seitenstraße an einer niedrigen Hecke entlang. Sie grenzte ein etwa zwei Meter breites Rasenstück ab, das bis zum Bürgersteig reichte. Gleich am Ende der Hauswand bog er in den Fußweg ein, der zu den Hauseingängen führte.

»Hallo Jonas. Schau, meine neue Puppe«, piepste eine dünne Stimme. Nina, das vierjährige Mädchen aus der Wohnung gegenüber, saß mit ihrer Babypuppe auf dem schmalen Wiesenstreifen. Hingebungsvoll wickelte sie das Spielzeug in Tücher.

Die Mutter stand an der ersten Haustüre und rief ungeduldig: »Ninalein, jetzt komm endlich. Wir wollen Mittagessen.«

»Ich heiße Jonathan«, antwortete der Junge mit einem schiefen Lächeln.

»Ja. Ich weiß, Jonas«, sagte sie, wobei sie ihre Sachen zusammenpackte.

Jona schüttelte den Kopf über so viel Dämlichkeit. »Hallo, Frau Eicher«, grüßte er die Nachbarin im Vorbeigehen und eilte die Treppen hinauf bis in den dritten Stock.

An der Wohnungstüre drückte er die Klingel. Er lauschte auf das piepende Geräusch im Innern der Wohnung. »Benni hat längst einen eigenen Hausschlüssel. Ich natürlich nicht«, brummte er mittlerweile aufsässig, während er auf die näherkommenden Schritte wartete.

Endlich öffnete sich die Türe. Ein hübsches, herzförmiges Gesicht, eingerahmt von schwarzen Haaren, tauchte auf. Obwohl sie nicht mehr als einen Meter fünfundsechzig maß, strahlte Mutter Klara eine Autorität aus, die sie mächtig und streng wirken ließ. Sie gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. Statt einer Begrüßung kam die Frage: »Hast du fleißig gelernt?«

Jonathan gab eine undefinierbare Antwort. »Was gibt’s zu Mittag?«, wollte er hungrig wissen. An der Küchentüre schnupperte er neugierig und zuckte dann zurück. Unter dem Abzug stand ein Topf, der den herben Geruch von Sauerkraut verströmte.

Mutter Klara häufte eine große Portion Kraut auf den Teller und legte zwei Reiberdatschi darauf. Mit »Guten Appetit, der Sauerkohl ist sehr gesund«, stellte sie die Mahlzeit vor ihm auf den Küchentisch. Anschließend bediente sie sich selbst und setzte sich ihrem Sohn gegenüber.

 Mit einer Miene, die so sauer war wie das Kraut, schluckte Jona das Gemüse, ohne zu kauen. Gleich kotz ich, dachte er aufsässig. Statt dessen beschwerte er sich: »Ich möcht auch mal Schnitzel mit Pommes. Beim Benni gibt’s das öfter.«

»Du weißt, wir -«

»Ja, ja, wir müssen sparen«, unterbrach er sie genervt, sprang auf, lief in sein Zimmer und warf die Türe mit einem Knall hinter sich zu.

Hanna Hopperla

Oben auf dem Dachboden lachte jemand im gleichen Tonfall wie in Jonathans Schlafzimmer. Das Kichern kam aus einem der acht Lattenverschlag-Abteile. Jede Wohnung des Hauses besaß eine eigene Abstellkammer, versperrt mit einem Vorhängeschloss. An der Außenwand, linkerhand wenn man den Speicher betrat, spendete ein dreckverschmiertes Fenster ein wenig Licht. An der unteren Ecke war ein dreieckiges Stück Glas herausgebrochen.

Im ersten Verschlag direkt bei der Hauswand wohnte die Elfe Hanna Hopperla. Sie hatte sich in einem Puppenhaus von Mutter Klara niedergelassen. Das stand hier vergessen im hintersten Winkel des Abteils. Ein ehemals weißes Tuch schützte es notdürftig vor Staub.
Kein Mensch wusste, ob Hopperla ihr richtiger Name war. Jedenfalls war die kleine Gestalt sehr schusslig. Wenn ihr etwas aus der Hand fiel oder sie über einen Gegenstand stolperte, rief sie: »Hopperla, nichts passiert. Hat kaum wehgetan!« Das stimmte natürlich, denn sie konnte ja durch die Luft flattern, und stürzte selten schmerzhaft zu Boden.
Heute saß sie mit der Kreuzspinne Eusebia Nimmersatt gemütlich im Wohnzimmer beim Tee. Die zarten Flügel hatte sie elegant auseinandergebreitet, damit sie nicht an der Lehne zerknautschten. Hanna lachte schallend, als sie von den vergeblichen Versuchen Jonathans erzählte, sie zu fangen. »Er meinte doch glatt, ich sei ein verflogenes Fliegeninsekt«, gluckste sie begeistert und vollführte einen Salto rückwärts.

Bei dem Wort Fliege leckte sich die Besucherin die Fangzähne. Sie hatte für sich eine extra große Fleischfliege anstelle von Keksen mitgebracht.
Ja, fliegende Fluginsekten kann die haarige Person nie genug verspeisen. Sie frisst sogar ihre Liebhaber, die um sie werben, dachte Hanna abschätzig. Denn sie selbst war gertenschlank und die Spinnenfrau ziemlich fett.
»Chrr. Was hast du bei ihm gemacht? Wolltest du ihm einen deiner berüchtigten Streiche spielen?«, fragte sie verächtlich und gleichzeitig bewundernd. Sie hätte sich nie getraut, den Menschen derart nah zu kommen.

»Nein, ich hab die gedachten Ideenworte rausgelauscht.«
Eusebia schüttelte verwundert den Kopf. »Chrr. Geht doch gar nicht«, schimpfte sie. »Du nimmst mich auf den Arm.«
»Dazu bist viel zu kreuzspinnenschwer«, lästerte die Elfe und stieß ein freches Kichern aus. Sie schwebte in das Nebenzimmer und kam mit einem Puppenstethoskop zurück.

»Schau. Ich stecke die beiden verstöpselten Rohre in die spitzigen Spitzohren. Das runde, vertrichterte Ende halt ich an die kopfige Stirn. So dringen die gedachten Ideenworte durch den Schlauch zu mir«, erklärte sie. »Soll ich es bei dir ausprobieren?«
»Chrr. Nein, um meines Netzes willen!«, rief die Spinne erschrocken und hob abwehrend die Hälfte ihrer acht Beine. Sie wollte ihre Gedankengänge keinesfalls preisgeben, da sie sich gerade ausgemalt hatte, ob das Elflein wohl lecker schmecken würde. Sie hatte ihr Gegenüber genau gemustert und überlegt, wie sie Hanna am besten einwickeln konnte. Eusebia schätzte die Erfolgsaussicht ab: Das Flatterding ist ziemlich groß, etwa wie der Handteller eines Menschen. Die langen, braunen Haare und das aprikosenfarbene Kleid sind dünn, die stören wenig. Nur die vier Flügel sind sperrig. Noch dazu kann sie die einzeln bewegen. Das wird eine Mordsarbeit. Aber sie gäb eine Mahlzeit ab, die ein halbes Jahr reicht. Ihr war bereits das Wasser im Mund zusammengelaufen. Um von den Gedanken abzulenken, fragte Eusebia: »Chrr. Und was hat er gedacht?«

»Es war schwer zu verstehen. Viel Wirrwarr-Zeugs. Von einer erbosten Verärgerung in einem großen Hauskasten, dort wurde er von einem Mann mit Zahlen beworfen. Dann ein Spiel, wo man vor einer runden, weißen Kugel davonläuft. Klang wie Fußerball. Er hasst und liebt seine bemutternde Klara Mama, die sich alles vom Mund wegverspart. Sie sitzt vor einem Flimmerkasten. Der heißt Pe-Ce und da drinnen sucht sie nach billigen Schnäpperchen. Keine Ahnung, wie sie die da rausbekommt. Manche Gedankenbilder waren wirklich sehr undeutlich zu lesen.«
Die Elfe nahm einen Schluck Tee und biss in einen Vollkornkeks, welchen sie auf ihrer täglichen Runde im Haus stibitzt hatte. »Jonherrtan liest in einem bildrigen Buch und möchte, wie die Helden Pupser und Popo, fliehen und verspannende Abenteuer erleben.«
»Chrr. Ich hab den Jungen schon lang nicht mehr gesehen«, meinte die Kreuzspinne nachdenklich. Bei der Erzählung hielt sie die Teetasse anmutig mit den zwei vordersten Beinen. Gesittet nippte sie ab und zu an der lauwarmen Flüssigkeit. »Chrr. Ich komm nicht viel im Haus herum.« Dann fügte sie hinzu. »Chrr. Hier oben ist’s recht gemütlich und ich kann jede Menge Netze knüpfen, ohne dass mich jemand stört.«

»Du findest es hier doch nur grottenschön wegen der summsenden Fliegen. Gib’s zu!«, lästerte Hanna Hopperla.
»Chrr. Das natürlich auch«, prustete die Spinnenfrau los. Dabei rutschte ein Stück Netzfaden aus ihrem Hinterteil.
»He, mach meine Wohnung nicht kleberschmutzig!«, schimpfte die Elfe.
Die Spinne drehte sich um und fraß den Faden auf. Ob sie rot wurde und sich schämte, war auf Grund der Behaarung nicht zu erkennen. »Chrr. Können wir was unternehmen, um dem Jungen zu helfen?«, lenkte Eusebia von dem Missgeschick ab.
»Oh ja! Ich könnte ihm, als spukiges Gespenst verkleidet, ängstliche Furcht einflößen. Toll ist auch ein schneckenschleimiger Kriechling oder ein glitschiger, froschiger Quaker im Bett. Vielleicht beglückt ihn das«, schlug Hopperla vor.
»Chrr. Du bist blöd. Es muntert dich auf, wenn du ihn ärgerst, nicht ihn!«, keifte die Kreuzspinne boshaft und fragte anschließend: »Chrr. Warum sagst du manche Worte doppelt? Klingt, als redet noch jemand anderer in dir.«
»Wie kommst du auf diese versponnene Spinnenidee?«, rief Hanna alarmiert.
Eusebia fixierte das Elfenmädchen mit ihren zahlreichen schwarzen Kugelaugen. »Chrr. Ich kenne dein schreckliches Geheimnis«, antwortete die Nimmersatt triumphierend.